Wie uns Flügel wuchsen von X66 ([KaRe]) ================================================================================ Kapitel 2: Regen ---------------- Kapitel 2: Regen Als sie von zu Hause losliefen, begann es gerade zu nieseln. Kai hatte einen skeptischen Blick gen Himmel geworfen, aber nichts gesagt, und Rei hatte seine Trainingsjacke bis nach oben hin zugezogen und sich einen Kommentar verkniffen. Schweigend setzten sie sich in Bewegung. Liefen sie zunächst langsamer, um warm zu werden, wurden sie bald schneller und verfielen in ein rasches, aber gleichmäßiges Tempo. Die beiden brauchten sich über die Strecke nicht zu verständigen. Dass sie zusammen laufen gingen, war zwar keine wöchentliche oder ähnlich regelmäßige Veranstaltung, aber es kam doch oft genug vor, dass sie wussten, welchen Weg sie beide bevorzugten. Nach etwa einer halben Stunde des Laufens über Bürgersteige und asphaltierte Straßen bogen sie in einen Feldweg ab, der bald darauf von Bäumen gesäumt wurde und in einen Wald überging. Obwohl der Regen, der beständig auf sie niederkam, fein war, waren sie beide inzwischen ziemlich nass. Allein die Tatsache, dass es sich um einen warmen Frühlingsregen handelte, ließ das Ganze nicht völlig unangenehm werden. Tief und ruhig hörte Rei den Atem Kais neben sich und der Schwarzhaarige genoss die stille Anwesenheit des anderen. Nach der Trennung von Mao, die mittlerweile schon einige Wochen zurücklag, fand er es schön, wieder viel mehr Zeit mit seinen Freunden zu verbringen; etwas, was er während ihrer Beziehung teilweise vernachlässigt hatte. Schon jetzt stellten sich so auch neue Gewohnheiten ein und Rei vermutete, dass bald auch das Laufen mit Kai eine solche und damit regelmäßiger werden würde. Noch während sie im Wald liefen, dabei den Blick auf den Boden gerichtet hatten, um nicht über Wurzeln und Steine des nur wenig befestigten Weges zu stolpern, kündigte es sich an, dass der Nieselregen zu einem ausgewachsenen Regenschauer werden würde. Waren sie anfangs durch die Blätter geschützter gewesen als auf der Strecke vorher, kamen nun immer mehr Tropfen durch das Blattwerk auf sie herunter. Dick perlten sie auf Haut und Kleidung von Kai und Rei ab, durchnässten sie aber schließlich doch. Rei verlangsamte sein Tempo, als sie sich dem Waldrand näherten und sehen konnten, dass der Regen auf freiem Feld wie in Bindfäden herunterkam. Schwarze Wolken waren am Himmel zu sehen, den sie vorher durch die Baumkronen kaum hatten ausmachen können. Es sah nicht danach aus, als wolle der Regen in absehbarer Zeit aufhören. Auch Kai wurde langsamer, nachdem er gemerkt hatte, dass der andere hinter ihm zurückfiel. „Lass uns hier im Wald warten, Kai“, meinte Rei, während er sich Wasser vom Gesicht wischte und dann von seinen Händen abschlug. „Hier ist es immerhin ein bisschen geschützter.“ Der Russe, der nun ebenfalls stehen geblieben war, stimmte zu, fügte mit resigniertem Ton an: „Ich bin zwar nicht sicher, ob dieser Regen heute noch mal aufhört, aber vielleicht wird es wenigstens etwas weniger.“ Er zupfte an seiner Wasser durchtränkten Trainingsjacke, die ihm wie all seine Kleidung eng am Körper klebte, zuckte dann mit den Schultern und begann, einige Dehnungsübungen zu machen. „Warten wir wenigstens ein paar Minuten ab. Ich habe wirklich keine Lust, bis auf meine Unterwäsche nass zu werden.“ Rei gesellte sich neben Kai und ahmte dessen Übungen nach. Schnell gab er dies jedoch auf, merkte er, wie unangenehm jegliche Bewegung in seinen nassen Kleidungsstücken war, nachdem er seine Laufbewegung einmal unterbrochen hatte. Stattdessen stellte er unter den letzten Baum am Wegesrand, bevor Felder und Wiesen den Wald wieder ablösten, und sah dabei zu, wie Abermillionen von Tropfen sich aus den Wolken ergossen. Als sich Kai neben ihn stellte, wandte der Schwarzhaarige kurz den Kopf, lächelte den anderen an. „Woran denkst du?“, fragte der Russe, der das Gefühl hatte, dass Rei nachdenklich wirkte. „Oh“, machte dieser. „Ich-“ Wenn er ehrlich war, hatte er an Mao gedacht. „Weißt du... Als ich kleiner war, habe ich immer gedacht, dass Mao und ich eines Tages ein Paar sein würden, und habe geglaubt, dass wir auch für immer eines bleiben würden. Ich habe nie länger darüber nachgedacht, warum auch, es schien alles so klar. Alle gingen irgendwie davon aus, dass wir irgendwann heiraten und eine zeitlang habe ich auch angenommen, Mao wäre meine große Liebe - oder wie auch immer man das sagen will.“ Kai nickte. „Schon okay. Ich weiß, was du meinst.“ Rei fuhr fort. „Jetzt weiß ich, dass ich doch nur irgendwann zumindest mal in Mao verliebt war, das schon, aber mehr auch nicht. Und das ist einfach ein bisschen deprimierend, weil ich mir als kleines Kind schon immer gewünscht habe, eines Tages die große Liebe zu finden und glücklich zu sein. So ein Kindertraum eben und-...“ „- jetzt hast du das Gefühl, dir jahrelang Illusionen gemacht zu haben?“, beendete Kai den Satz. Überrascht blickte der Chinese den anderen an, nickte dann mit einem schiefen Lächeln. Nach einem Moment des Schweigens, in dem sie beide hinaus in den Regen starrten, begann Kai zu sprechen. „Ich kann dir nichts dazu sagen, ob ich glaube, dass so was wie eine große Liebe existiert. Ich hab das immer eher für Wunschdenken gehalten, aber wie auch immer. Lass es auf dich zukommen, anstatt dir Gedanken darüber zu machen, ob du die große Liebe gefunden hast oder nicht - ob es sie überhaupt gibt.“ „Du meinst, ich würde nur meine Zeit vergeuden, wenn ich mich auf die Suche nach etwas mache, von dem ich nicht einmal weiß, ob es das wirklich gibt?“, fragte Rei nach. Kai nickte kurz. „Such dir eine Freundin oder auch nicht - Hauptsache, du weißt, dass es dir damit gut geht. Und wenn es keine große Liebe ist, dann hast du wenigstens eine schöne Zeit.“ Nachdenklich nickte auch Rei, bevor er grinste. „Ich wusste gar nicht, dass du so philosophische Ratschläge erteilen kannst.“ Kai sah den anderen an, wandte sich dann wieder dem Weg zu und warf noch über die Schulter: „Die kriegt auch nicht jeder von mir, klar?“ Der Schwarzhaarige lächelte ob dieser defensiven Reaktion in sich hinein. „Danke, Kai. Du hast mir sehr geholfen.“ „Kein Thema“, kam die Erwiderung, ohne dass Angesprochener sich umsah. „Kommst du dann? Es ist etwas heller geworden.“ Noch immer regnete es stärker als der Nieselregen, mit dem sie losgelaufen waren, aber da es in der Tat nicht so aussah, als würde sich in der nächsten Zeit etwas an der Situation ändern, konnten sie genauso gut weiterlaufen. Rei lockerte kurz seine Schultern, setzte sich in Bewegung und trabte an Kai vorbei. Dieser wurde augenblicklich ebenfalls schneller, so dass sie wieder gemeinsam nebeneinander herliefen, in den Regen hinaus. „Uh, sogar meine Socken sind mittlerweile nass“, teilte Rei nach den ersten Metern frustriert mit. „Ich freue mich jetzt schon auf die heiße Dusche zu Hause.“ Kai lachte leise und sie erhöhten zusammen ihr Tempo, um schneller dem Regen entflüchten zu können. Noch nasser als zuvor, wenn das überhaupt noch ging, erreichten sie schließlich ihr Appartement und hinterließen eine nasse Spur im Hausflur. Rei kramte einen Schlüssel aus seiner Hosentasche hervor, wandte sich jedoch noch einmal an den Russen, bevor er die Tür aufschloss. „Kai, ich-... Danke. Wegen eben. Ich hätte-“ Kai winkte ab, während er seine Füße aus den nassen Turnschuhen quälte, die Socken gleich mitabstreifte. „Wann laufen wir das nächste Mal?“, fragte er stattdessen. „Sobald es nicht mehr regnet“, erwiderte Rei grinsend und drehte den Schlüssel im Schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)