Wie uns Flügel wuchsen von X66 ([KaRe]) ================================================================================ Kapitel 4: Herbst ----------------- Kapitel 4: Herbst Der Regen peitschte gegen die Fenster, der Wind heulte und rüttelte unerbittlich an den Fensterrahmen. Draußen wogten die Bäumen im Sturm, bogen sich manchmal gefährlich weit zur Seite, es schien jedes Mal, als würde einer ihrer Äste in jenem Windstoß brechen. Rei saß mit einem Buch, das er für die Uni lesen musste, vor der Heizung, in der Hoffnung, seine mehr als feuchten Haare ein wenig zu trocknen. Trotz der Sturmwarnung, die für diesen Nachmittag heute Morgen im Radio gesendet worden war, hatte Rei sich nachmittags noch nach draußen begeben, weil er einen Arzttermin gehabt hatte. Die Folge dieses unfreiwilligen Spaziergangs durch Wind und Regen waren tropfnasse Haare und triefende Kleidung gewesen, weil sich das Aufspannen einen Regenschirms aufgrund der Windböen als unmöglich gestaltet hatte. Er genoss es nun, nicht mehr dem ungemütlichen Wetter draußen ausgesetzt zu sein und wieder trockene Kleidung zu tragen. Die Wärme der Heizung drang angenehm durch seinen Pullover und er roch den vertrauten Geruch des Waschmittels, welcher aus dem frischen Pullover emporstieg. Er hatte diesen Geruch schon immer gemocht, weil er sich auf gewisse Art und Weise zu Hause fühlte, wenn er diesen wahrnahm. Als die Lampen das erste Mal flackerten, hob Rei kurz den Blick und sah zu diesen hinauf. Doch das Licht hatte sich bereits normalisiert und Rei wandte sich mit einem leichten Kopfschütteln wieder seiner Lektüre zu. Einige Minuten konnte er ungestört lesen, machte sich zwischenzeitlich Notizen auf einem seiner Schreibblöcke der Uni. Dann flackerte das Licht erneut, diesmal für einen Moment länger als beim vorherigen Male. Dies veranlasste den Schwarzhaarigen dazu, mit einem Finger die Seite in seinem Buch zu markieren, bevor er selbiges zuklappte und dann erst einen skeptischen Blick zur Deckenlampe warf, schließlich fast besorgt aus dem Fenster sah. Draußen wütete und toste der Sturm unvermindert und Rei vermutete stark, dass er die Ursache für die Elektrizitätsprobleme darstellte. Und noch ehe Rei sich wieder seinem Buch zuwenden konnte, wurde es im Zimmer auf einmal schwarz; das war Licht komplett ausgefallen. Auch die Straßenlampen draußen waren erloschen, kein Lichtschein drang ins Zimmer. Leicht genervt aufseufzend stand der Schwarzhaarige auf, nachdem er seine Utensilien abgelegt hatte, und begann, sich durch den Raum zu tasten. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die plötzliche Dunkelheit, so dass kaum Schemen erkennbar waren. Da Rei nicht wusste, wie lange der Stromausfall andauern würde - flüchtig hoffte er, es würden nicht Stunden sein -, machte er sich also auf den Weg in die Küche, wo sie Kerzen aufbewahrten. Gerade den Flur betreten, hörte er raschelnde Geräusche, die er jedoch nicht zuordnen konnte. Er machte einen weiteren Schritt nach vorn, wollte zu einem fragenden „Kai?“ ansetzen, als er völlig unvorbereitet mit etwas Großem zusammenstieß. Ein erschrockenes „Woah“ ersetzte Reis vorherigen Ansatz und traf mit einem gedämpften Stöhnen einer weiteren Person zusammen. „Rei, bist du das?“, kam dann Kais dunkle Stimme. Angesprochenen traf es trotz des Zusammenstoßes, den er einen Moment zuvor offenbar mit Kai gehabt hatte, überrascht, wie nah Kais Stimme ihm war, bejahte die Frage aber einen Moment später. Er streckte die Hand vorsichtig nach dem anderen aus, um nicht noch einmal in diesen hineinzulaufen, aber statt des erwarteten Stoffes fühlte Rei plötzlich warme Haut unter seinen Fingern. Verwundert tastete er automatisch etwas weiter, bis Kai ihn unterbrach, indem er sagte: „Nimm die Finger von meinem Bauch weg! Das kitzelt.“ Er klang amüsiert. Rasch zog der Chinese seine Hand weg. „Wieso hast du kein Hemd an?“, fragte er. „Ich habe Sit-Ups gemacht“, erklärte Kai, während er schon begann, sich unter weiteren Raschelgeräuschen den Flur entlangzutasten. Rei folgte ihm langsam, auch wenn er mittlerweile mehr erkennen konnte, weil seine Augen sich mehr und mehr an die Dunkelheit gewöhnten. In der Küche angekommen hatte Kai es sich nicht nehmen lassen, den Lichtschalter der Deckenlampe zu betätigen, um zu sehen, ob das Licht inzwischen nicht vielleicht doch wieder funktionierte. Nachdem sich dies als vergebens herausgestellt hatte, waren mehrere Teelichter und eine dickere Kerze schnell gefunden. Als Problem stellte sich jedoch heraus, dass sie anders als für die Kerzen keinen festgelegten Ort für ein Feuerzeug hatten. Diese lagen bei ihnen generell immer da herum, wo sie das letzte Mal jemand verwendet hatte. Über eben diese Tatsache fluchend war Kai bereits gegen einen Stuhl gelaufen, als er eigentlich den Tisch nach dem Feuerzeug hatte absuchen wollen. Rei hatte sich zwar noch nicht gestoßen, war jedoch ebenso erfolglos dabei gewesen, den begehrten Gegenstand ausfindig zu machen. „Sobald wir wieder Licht haben, werde ich festlegen, wo wir ab sofort und für alle Zeiten unsere Feuerzeuge zu deponieren haben“, brummte Kai, was bei Rei trotz allem ein Lachen auslöste. Obwohl sie mittlerweile die meisten Strukturen im Raum sehen konnten, war ein Feuerzeug viel zu klein, als dass sie es mit ihren Augen hätten ausmachen können. So tasteten sich die beiden weiter über alle Ablagen und Schubladen in ihrer Küche, wussten sie, dass es hier irgendwo ein Feuerzeug geben musste. „Ich weiß, dass ich es vor ein paar Tagen noch benutzt habe. Aber wer weiß, ob Takao oder Max es seit dem nicht nochmal hatten.“ Frustriert setzte sich Rei auf den Stuhl, der ihm am nächsten stand. „Das ist unwahrscheinlich, da die beiden seit Samstag im Dojo sind.“ „Stimmt auch wieder. Ich kann mich einfach nicht erinnern, wo ich das blöde Teil hingelegt haben könnte.“ Kai antwortete nicht sofort; Rei hörte ihn jedoch kurz darauf näher kommen und sah dann auch Kais dunkle Gestalt, die vor ihm stehen blieb und sich zu ihm hinunterbeugte. Noch bevor er das schabende Geräusch, das erklang, hatte einordnen können, blickte er in das vom Kerzenschein erleuchtete Gesicht des anderen. Zwischen ihnen flackerte ein Teelicht, das Kai ihm mit einem Lächeln hinhielt. „Ich kann dir jetzt sagen, wo du es hingetan hast - auf die Fensterbank neben den Blumentopf.“ „Frag mich bloß nicht, warum ich es ausgerechnet da hingelegt habe. Ich weiß es nämlich selbst nicht“, antwortete Rei grinsend. Kai richtete sich auf, machte sich dann daran, die eben auf dem Tisch abgestellten Kerzen der Reihe nach anzustecken. Während Rei die züngelnden Flammen der Teelichter betrachtete, stellte er fest, wie gemütlich es hier im Kerzenschein war, wo draußen noch immer der Sturm heulte. Bei der Suche nach dem Feuerzeug hatte er die Geräusche des Windes und des Regens kaum noch wahrgenommen, war viel zu beschäftigt gewesen. Doch nun hörte er sie wieder und konnte noch immer keine Verminderung des Unwetters feststellen; auch nicht, als er genauer horchte. Kai setzte sich nach beendeter Aufgabe zu ihm an den Tisch und Rei wandte den Blick von den Kerzen, sah zu dem anderen. Das kleine Licht malte sanfte Schatten auf dessen Gesicht, welche dessen Züge weicher wirken ließ. Einen Moment war er völlig vom Spiel der Schatten auf der blassen Haut Kais fasziniert, betrachtete besonders die Schattenlinien, die an dessen Wangenknochen verliefen und deren Kanten hervorhoben. Das Licht der Lampe, die über ihnen flackernd wieder anging, riss ihn abrupt davon los. „Das kann doch jetzt nicht wahr sein“, sagte Kai missvergnügt. „Nach all dem Aufwand, den wir betrieben haben, um ein Feuerzeug aufzutreiben...“ Aber Rei dachte an das Licht der Kerze zwischen ihnen zurück und war froh, zumindest diesen Anblick nicht verpasst zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)