Zum Inhalt der Seite

Wie uns Flügel wuchsen

[KaRe]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Morgen


 

Kapitel 10: Morgen
 

Rei wachte mit einem brummenden Kopf auf. Er fühlte sich zerschlagen, hätte sich am liebsten noch einmal umgedreht und weitergeschlafen, aber er wusste, dass die Kopfschmerzen ihn daran hindern würden, noch einmal ins Land der Träume hinabzugleiten.

Stöhnend versuchte er, sich aufzurichten. Diesen Versuch machten ihm nicht nur die plötzlich hämmernden Schmerzen in seinem Kopf zunichte, sondern auch die Tatsache, dass jemand Rei mit einem Arm umschlungen hielt. Auch seine Beine genossen keine Bewegungsfreiheit, wie er schnell feststellte, da sie mit einem weiteren Paar hoffnungslos verhakt waren.
 

Da der Besitzer dieser sich in seinem Rücken befand, wusste er noch immer nicht, um wen es sich eigentlich handelte. Eine böse Ahnung kroch jedoch in Rei hoch, als er mit klopfendem Herzen regungslos verharrte, um den anderen nicht aufzuwecken. Vorsichtig neigte er seinen Kopf schließlich leicht nach unten, warf einen Blick auf die Hand, die auf seinem Bauch lag und zwischen weißen Bettlaken hervorlugte. Rei erkannte sie zu seinem Entsetzen sofort.
 

Fetzen von Erinnerungen an die gestrige Nacht kamen hoch, aber es war viel zu wenig, um den Abend und die folgende, lange Nacht zu füllen. Innerlich verfluchte Rei sich dafür, so viel Alkohol getrunken zu haben, denn in einer dieser Erinnerungslücken war auch die Erklärung dafür verschwunden, was er hier mit Kai, ausgerechnet mit Kai, in einem Bett tat. Der Schmerz, der noch immer in seinem Schädel dumpf pochte, half nicht gerade dabei, aus einer dieser Lücken noch etwas Brauchbares zu Tage zu fördern. So lag Rei starr in dem Bett, das, wie er feststellte, weder seins noch Kais war, und fragte sich leicht panisch, was er jetzt tun sollte, wenn Kai aufwachte. Ob Kai ebenso wenig wusste, was geschehen war, wie er selbst?
 

Glücklicherweise fiel ihm zwischen einer Reihe von panischen Gedanken auf, dass er zumindest bekleidet war. Er trug noch immer seine Kleidung vom gestrigen Abend, die zerknittert war und nicht gerade angenehm roch. Rei atmete erleichtert aus. Nach den Kopfschmerzen und seinem Filmriss zu urteilen hatten sie gestern so viel getrunken, dass sie ganz sicher nicht in der Lage gewesen wären, sich nach eventuellen...Vorkommnissen wieder anzuziehen. Ihm war, als fiele ihm ein Stein vom Herzen. Schon diese Situation war ihm unangenehm genug, nicht auszudenken, wie er sich gefühlt hätte, wenn er hätte feststellen müssen, dass Kai und er in völlig betrunkenem Zustand miteinander geschlafen hatten und er sich an nichts erinnern konnte.
 

Seine müden, brennenden Augen ignorierend, überlegte Rei gerade, wie er es wohl anstellen sollte, aus diesem Bett zu verschwinden, ohne den anderen dabei aufzuwecken, als ein leises Stöhnen rechts von ihm dem Schwarzhaarigen klar machte, dass jede weitere Überlegung in diese Richtung sinnlos war. Er schloss die Augen und wartete darauf, dass Kai ebenfalls bemerkte, in welcher Position sie sich befanden.
 

Es folgte das Rascheln von Bettwäsche, ein unterdrücktes Murren (es schien, dass Rei nicht der Einzige mit einem Kater an diesem Morgen war) und schließlich Stille. Rei hielt diese nicht lange aus, bevor er seine Augen wieder öffnete und seinen Kopf zu Kai herumwandte. Ihm graute davor, Kais Reaktion auf dessen Gesicht lesen zu können.
 

Einen Moment starrten sich die beiden an, Gesichter so nah auf den Kissen, dass Rei Kais Atem in seinem Gesicht spürte. Die Sekunden verstrichen, in denen sie beide nichts zu sagen wussten, waren sie unsicher, wie sie nun miteinander umgehen sollten.
 

„Kannst du dich an irgendwas erinnern?“, fragte Kai, während er langsam seinen Arm zu sich zog und seine Beine zwischen denen Reis hervorzuziehen begann.
 

Rei schüttelte den Kopf. „Zumindest nicht mehr ab dem Zeitpunkt, an dem wir angefangen haben, Tequila zu trinken.“
 

„Ich auch nicht.“
 

Nach einem weiteren Blickwechsel brach Rei in leises Lachen aus, weil es besser war als jede andere Reaktion, zu der er sich gerade überhaupt in der Lage fühlte. Auch Kai grinste einen Augenblick später.
 

„Einigen wir uns darauf, dass das Ganze hier nie passiert ist?“, fragte er dann, ernst.
 

Zunächst zögernd, nickte Rei schließlich. Kein Wort würden sie also darüber tauschen, was das Geschehene bedeutete, was es hätte verändern können. Rei ließ sich wieder stöhnend zurück ins Kissen fallen. Es schien, dass jegliche Bewegung seines Kopfes an diesem Morgen seine Kopfschmerzen nur vervielfachte. Er benötigte dringend eine Tasse Tee, um seinen Magen, der sich flau anfühlte, wieder zu beruhigen, konnte sich aber noch nicht dazu überreden, aufzustehen.
 

„Ich würde ja gern sagen, dass ich nie wieder so viel Alkohol trinke, aber ich fürchte, ich halte mich sowieso nicht dran“, meinte Rei blinzelnd.

Kai machte ein Geräusch, das wohl seine Belustigung andeutete, während er begann, sich aus seiner Bettdecke zu schälen.
 

„Wessen Bett ist das eigentlich, in dem wir geschlafen haben?“, erkundigte sich Rei. Er vermutete, dass sie beide im Haus der ehemaligen Demolition Boys gestrandet waren, die die Gastgeber der gestrigen rauschenden Party gewesen waren. Im Gegensatz zu Kai hatte er bislang nie die Schlafzimmer der Bewohner gesehen. Die Neugier auf die Antwort auf diese Frage motivierte den Fragenden immerhin so weit, dass er sich im Bett aufsetzte.
 

„Wir sind in Yuriys Zimmer“, erwiderte Kai. Seine Schuhe aus einer Ecke klaubend fügte er hinzu: „Das war sicherlich kein Problem für ihn. Er wird bei Boris geschlafen haben.“

„Immerhin sind wir nicht in Boris' Bett gelandet“, sagte Rei mit sichtbarer Erleichterung. Obwohl der Kampf zwischen ihm und Boris mittlerweile ziemlich weit in der Vergangenheit lag, bestand noch immer ein gewisses Spannungsfeld zwischen ihnen beiden.
 

Kai grinste nur. Er kam noch kurz zum Bett, lehnte sich darüber und wuschelte Rei einmal durch die Haare, bevor er Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen.

„Ich gehe mich eben waschen und besorge mir unten eine Aspirin“, sagte er noch. „Tee gibt es sicherlich auch für dich, wenn du dich dazu bequemen kannst, das Bett zu verlassen.“ Bei diesen Worten zog Kai eine Augenbraue hoch, blickte Rei an.

Dieser nickte nur und schon war der andere aus dem Zimmer verschwunden.
 

Ein Tee war verheißungsvoll, das stimmte. Das Getränk war für ihn das Mittel der Wahl gegen einen Kater und war zudem das Einzige, was er an einem Morgen nach zu viel Alkohol überhaupt herunterbekam. Allein der Gedanke an Frühstück rief meist eine leichte Übelkeit hervor - so auch diesmal. Einen kleinen Moment im Bett wollte er sich aber noch gönnen. Seine Kopfschmerzen, wusste er aus Erfahrung, würden nur noch wieder zunehmen, wenn er sich nicht mehr in der Horizontalen befand und zudem auch noch herumlaufen musste.
 

Rei dachte daran, wie Kai und er gerade miteinander umgegangen waren. Nachdem sie diesen ersten Moment der Verlegenheit überwunden hatten, hatten sie sich eigentlich so wie immer verhalten.

In Kais Fall war das wahrscheinlich kein Wunder – er war schließlich nur mit seinem besten Freund in einem Bett aufgewacht. Das war sicherlich auch etwas unangenehm für ihn, vor allem, weil Kai schwul war, aber lange nicht so kompliziert wie bei ihm selbst.
 

Der Gedanke, dass diese Nacht, von der sie nicht wussten, was tatsächlich alles zwischen ihnen passiert war, nicht so einfach unter den Teppich gekehrt werden konnte, wie sie das kurzerhand vereinbart hatten, ließ sich nicht abschütteln. Rei befürchtete, dass es gerade die Tatsache war, dass sie nicht wussten, wie sie schließlich in einem Bett gelandet waren, ob sie geknutscht hatten, die das Problem darstellte. Hätte er gewusst, was er mit ihrer Entscheidung, die Vorkommnisse zu vergessen, überhaupt verdrängte, wäre er vermutlich auch in der Lage gewesen, diese erfolgreich in den Tiefen seines Gedächtnisses zu vergraben. So aber fragte er sich, was eigentlich genau geschehen war und was dies für sie beide und ihre Beziehung bedeutete. Das Ganze wurde erst recht dadurch verkompliziert, dass sie - womöglich unabhängig voneinander - von ihren Freunden eventuell das ein oder andere Detail in Erfahrung bringen konnten.
 

Je länger sich Rei darüber Gedanken machte, desto verstrickter schien ihm die Lage. Wo er eben noch gedacht hatte, dass sich die Situation fast lächerlich einfach geklärt hatte, war er sich da nun nicht mehr so sicher. Er spielte ihr Gespräch noch einmal gedanklich durch, doch seine Gedanken begannen nur, sich im Kreis zu drehen. So schwang Rei seine Beine aus dem Bett und stand auf. Als er merkte, wie das Pochen des Schmerzes in seinem Schädel begann, befand er, dass dies definitiv nicht sein Morgen war.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Alatus
2011-04-29T20:13:50+00:00 29.04.2011 22:13
OMG WTF?
Ich war erst so erstaunt, ob ich nicht irgendwie ein Kapitel ausgelassen hätte (musste gerade überhaupt schauen, was schon da ist und oh, Fortsetzung auch *_*) weil --- WTF WTF WTF!!!
Fühl dich gewürgt |D Einerseits ist das ja jetzt um so spannender, aber wtf! der Schock, der- der SCHOCK am Anfang ist so dieses Luft einziehen, ungläubig den Text anstarren und "NE JETZT, ODER ETWA DOCH`?! O__O" das einem durch den Kopf spurtet |D
Jetzt malt man sich natürlich zehn Tausend Szenarien aus, die irgendwie sehr wohl da hätten stattfinden können und Du- ... gnarf.
Aber ich muss sagen, dass der Schluss ziemlich cool war. Erst dachte ich mir, dass es echt schade wäre, diese verzwickte Situation so "einfach" zu lösen, aber das klang nach allem anderen als einer einfachen Lösung ... °__°
Und Kai ging irgendwie so liebevoll mit Rei um >D der muss seine Nähe genossen haben, wenn er sich schon SO an ihn klammerte/ihn so an sich drückte, sonst hätte er nicht so unbequem liegen bleiben können XD~ *smirk*
Aber argh, dass die Kapitel immer so KURZ sein müssen ... |D
*wuselt nun einfach zum nächsten*:P
Von:  Shayd_chan
2011-04-14T19:05:40+00:00 14.04.2011 21:05
*sich totlach*
Ich find das so genial, dieses gefühl am Morgen, wenn man nach einem Saufabend aufwacht und sich erst mal fragt:
"Verdammt, was hast du gestern gemacht und wie bin ich ins Bett gekommen."
Sehr toll! Hab mich so amüsiert, als ich das gelesen hab.
Wobei das dann echt gemein ist, dass Kai das Thema einfach tot schweigen will.
Aber alles in allem, ist das Kapitel wieder sehr gelungen und ich freue mich auf das nächste^^
Von:  Minerva_Noctua
2011-04-04T19:02:07+00:00 04.04.2011 21:02
Ein Kapitel in einem Bett anzufangen, wo das alles noch weit entfernt schien, ist erst einmal gemein.
Dann fängt es an interessant zu werden bis man nur noch mit gerunzelter Stirn da sitzt und beobachtet, was die da treiben.
Dieses "lass uns so tun, als wäre das alles nicht passiert" ist für mich ein Zeichen von schlechtem Gewissen oder zumindest Verlegenheit. Man sollte annehmen, wenn zwei Freunde nach einem Saufgelage in einem Bett aufwachen, nichts besonderes dabei ist.
Nun, Rei hat sich in Kai verliebt und dieser scheint das umgekehrt auch so zu sehen.
Yuriy müsste doch ein paar Infos haben, schließlich hat er sie in sein Bett dirigiert.
Auf jeden Fall ist es eine gute Idee, die die Sache voran bringt.
Böser, böser Alkohol*g*

Bye

Minerva
Von:  tenshi_90
2011-04-04T16:27:41+00:00 04.04.2011 18:27
Hey!

War wieder mal ein supi Kapitel =)

Ich frage mich allerdings, wie die beiden so im Bett gelandet sind... da gibt es doch bestimmt noch n Hintergrund, oder? =)

Vielleicht klärst du es ja bald auf ;)

Mach weiter so!

LG
Von:  Fye-chan
2011-04-04T15:45:45+00:00 04.04.2011 17:45
Ouuu... das gefällt mir!
Ich denk mir dann einfach mal meinen Teil... den Teil, den du fieser-mieserweise einfach mal weggelasen hast xD
Dabei wüsste ich sowasvon gerne dass sie zumindest knutschend in diesem Bett gelandet sind...:D
Bekommen wir da noch Infos zu im nächsten Kapitelchen? :P

Aber wieder sehr klasse geschrieben ;)
Freu mich auf Pitel 11!
GlG, Fye <3
Von:  Pfefferminze
2011-04-04T14:18:49+00:00 04.04.2011 16:18
... Du bist einfach nur gemein ;^;
Und ich wette Kai weiß mehr als er sagt >o<" hoffe ich jedenfalls, damit wir noch iwann was hübsches erzählt kriegen D:"

Ich finde es kuhl, dass Rei nach ner durchzechten Nacht noch Tee trinken kann. Ich selbst empfinde Tee als DEN superGAU für nen Kater xD"

Gut, iwie kann ich grad so wenig sagen ôo War gut und Ende x3

*plü*


Zurück